Der Pegida-Spuk scheint (fast) vorbei. Die umstrittene Protestbewegung zerfällt in ihre Einzelteile und lockt eine kaum noch nennenswerte Teilnehmerzahl zu ihren „Spaziergängen“ – die noch im Herbst so gleichermaßen verstörend wie unaufhaltsam anwachsend erschienen. Was das paranoide Treiben mit dem Image Dresdens angerichtet hat und wie lange es dauern wird, bis dieser behoben sein dürfte, wird gegenwärtig Gegenstand vieler sorgenvoller Gedanken sein und kann nur abgewartet werden.
Oft genug war die Semperoper – unfreiwillige – Statistin im irritierenden Treiben der nasskalten Montagabende. Von Anfang an hat die Semperoper dabei klar Stellung bezogen, die Beleuchtung abgeschaltet (um den sogenannten patriotischen Europäern die Möglichkeit zu nehmen, die Semperoper als Kulisse zu missbrauchen), „Refugees are welcome“ beamten Pegida-Gegner an die Fassade („Flüchtlinge sind willkommen“) und man griff dies später auf, indem man es auf Programmzettel druckte, die Fahnen vor der Semperoper forderten: „Türen auf, Herzen auf, Augen auf“ und erinnerte: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
Eine zufällige Fügung wollte es, dass zeitgleich mit den hysterischen Aufmärschen gegen die „Islamisierung des Abendlandes“ (Anteil von Muslimen in Sachsen: 0,1%) Engelbert Humperdincks Oper „Königskinder“ auf dem Spielplan der Semperoper stand: ein Stück, das Kaltherzigkeit und Ausgrenzung thematisiert und verurteilt. Gänsemagd und Königssohn werden von einer hartherzigen Gesellschaft verspottet, verstoßen und letztlich in den Tod getrieben.
Modern interpretiert Regisseurin Jetske Mijnssen mit Christian Schmidt (Bühne und Kostüm) das Stück in einer an die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts angelehnten Atmosphäre –allerdings ohne die Symbolik des dritten Reichs zu zitieren. Tomislav Muzek in der Rolle des Königssohns und Barbara Senator als Gänsemagd liefern souveräne gesangliche Leistungen, Christoph Pohl brilliert als Spielmann, Tichina Vaughn verkörpert die Hexe in einer eher mütterlich angelegten Interpretation. Mihkel Kütson leitet – als Gastdirigent – die Sächsische Staatskapelle ruhig und sicher.
Es bleibt zu hoffen, dass die bedrückende und ambivalente Vermischung von „draußen“ und „drinnen“, von Kultur und Tagespolitik, von düsteren Demonstrationen auf dem Theaterplatz bei verdunkeltem Opernhaus und symbolischem Widerhall auf der Bühne bald vergessen ist und die Semperoper wieder einfach nur das sein kann, wofür sie gedacht ist: ein Ort des Musikgenusses und der Lebensfreude.